„Die Welt, in der wir leben hat sich grundlegend geändert.“

Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der ABK Neustart gGmbH und stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Arbeitskreis Straffälligenhilfe e.V. (AKS) hat auf der Tagung für ehrenamtliche Mitarbeitende am 16./17.09.2022 in Wuppertal die Eröffnungsrede gehalten:

„Die Welt, in der wir leben hat sich grundlegend geändert. Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Erde quasi auf den Kopf gestellt. Nichts ist mehr so, wie es war! Viele fragen sich, wie es weitergeht – auch die Menschen im Gefängnis stellen diese Frage, machen sich Gedanken zum Krieg in der Ukraine, zur Energieversorgung in Deutschland und zu den steigenden Preisen im Alltag. Aus meinen Gesprächen mit Gefangenen weiß ich, dass sie das alles nicht kalt lässt. Natürlich sind auch sie von den Coronamaßnahmen betroffen. Die Auswirkungen in den Haftanstalten mit Maskenpflicht, Impfungen und eingeschränkten Besuchen oder der komplette Ausfall von Kontakten für eine lange Zeit. Auch wir Ehrenamtlichen durften nicht hinein, haben manchmal keine Möglichkeiten des Kontakthaltens gefunden. So lange es möglich war führten wir Diskussionen über die Frage, wie sinnvoll Impfungen sind oder ob man sich boostern lassen soll? Und kaum trat Corona etwas aus dem Fokus, begann der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Unfassbar für den Inhaftierten und mich. „Warum?“, fragten wir uns. „Was ist, wenn Putin in die baltischen Staaten oder Polen einmarschiert, dann sind wir doch im Krieg. Wir im Gefängnis fühlen uns genauso hilflos wie viele draußen.“ Obwohl Strafgefangene von der Welt über die Medien nur mittelbar etwas erfahren, erlebe ich Gespräche mit viel Empathie, großem Verständnis, aber auch Wut. Ja, ich habe das Gefühl, dass meine Beziehung zu den Inhaftierten noch nie so eng war wie jetzt. Sie brauchen das Gespräch … und ich auch!
Das gibt mir – trotz alledem – ein gutes Gefühl: Gespräche auf Augenhöhe!“

Dietmar Landscheidt ist ehrenamtlicher Betreuer in der JVA Aachen. Er begleitet einzelne Menschen in Haft und bietet einen Kurs „Deutsch Förderung“ für Langzeitinhaftierte an. Er ist sowohl in der Einzel- als auch Gruppenbetreuung tätig.